Wiesent: Entwicklung eines vom Menschen geprägten Auensystems: Das Flusssystem der Wiesent in der Nördlichen Frankenalb (Maineinzugsgebiet) im Frühmittelalter bis zur Frühen Neuzeit
Flusslandschaften – wichtige und empfindliche Ökosysteme
Flusslandschaften und ihre Auenbereiche sind wichtige Ökosysteme und stellen bedeutende Wirtschaftsräume für den Menschen dar. Sie sind von Natur aus dynamisch und im Laufe der Geschichte durch sozio-ökologische Veränderungen gekennzeichnet. In Mitteleuropa sind Flüsse und ihre Auen vor allem seit dem Frühmittelalter einem direkten (z. B. hydrotechnische Anlagen) und indirekten (z. B. Sedimentationsrate) Transformationsprozess unterworfen. In dieser Zeit machte sich der direkte sozioökonomische Druck auf die Flusslandschaften durch verstärkte Siedlungs- und Infrastrukturtätigkeiten bemerkbar, wie z. B. durch die Errichtung von Wassermühlen, die Öffnung von Tälern und Auen für den Transport auf dem Fluss sowie auf Straßen entlang des Tals sowie die Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung der Auen. Gleichzeitig fand eine Intensivierung der Landwirtschaft im gesamten Einzugsgebiet statt, was zu Bodenerosion führte, die sich wiederum auf die Sedimentfracht der Flüsse auswirkte, und damit die Morphologie der Auen erheblich veränderte. Infolgedessen wandelten sich spätestens seit dem Mittelalter natürlich dominierte Auen und Ökosysteme in vom Menschen dominierte Auensysteme um. Dieser Umwandlungsprozess verlief nicht nur in eine Richtung, sondern war durch nichtlineare und komplexe Rückkopplungs- und Anpassungsprozesse gekennzeichnet, die insgesamt die Mensch-Umwelt Interaktion bestimmten. Infolgedessen veränderten direkte und indirekte anthropogene Prozesse die Aue, und umgekehrt hatte die sich veränderte Aue Auswirkungen auf die Gesellschaft.
Forschungsziele
Das Projekt wird sich auf zwei Hauptaspekte konzentrieren:
- Rekonstruktion anthropogener Aktivitäten, wie hydrotechnische Anlagen, Fluss- und Agrarwirtschaft und ihrer Auswirkungen auf die Flussmorphologie, den Sedimentfluss und die Ökologie der Aue, und
- soziale Reaktionen und kulturelle Anpassungen an die vom Menschen verursachten Veränderungen der Auenlandschaft.
Im Einzelnen werden die folgenden Fragen behandelt:
- Wie groß war das Ausmaß der Veränderungen in den Tälern und Auen?
- Ist es möglich, Perioden intensiver Veränderungen zu identifizieren?
- Welche human-ökologische Prozesse waren für den Wandel von natürlichen zu anthropogen geprägten Flüssen und ihren Auen verantwortlich?
Methodischer Ansatz
Einem diachronen Ansatz folgend, soll der Zeitraum vom Mittelalter bis zur industriellen Revolution untersucht werden. Als Modellregion wird das mesoskalige Einzugsgebiet der Wiesent (Main/Rhein-Einzugsgebiet) und ihrer Nebenflüsse der Nördlichen Frankenalb in Bayern/Deutschland gewählt. Hier liegen teilweise bereits hochauflösende chronostratigraphische Daten zu Sedimentflüssen und Auenentwicklung vor, eine Voraussetzung, um den diachronen Ansatz zur Entflechtung der komplexen Mensch-Umwelt-Interaktion erfolgreich zu verfolgen. Zu diesem Zweck werden sowohl klassische als auch innovative (semi-)quantitative Methoden angewendet.